Der Augenwischer. Eine besonders hartnäckige, äußerst gefährliche Spezies, bestehend aus vor allem einflussreichen, höchst privilegierten, weißen Männern. Der Augenwischer verdreht Tatsachen, stellt Negatives Positiv dar und wendet alles zu seinem Vorteil. Er steht für jene, die durch ihre Machtposition aus der Klimakatastrophe persönlichen Profit ziehen. Mit dem Verbrennen fossiler Stoffe vermehrt er seinen Reichtum. Er beutet Naturressourcen und Menschen aus. Nachhaltigkeit, verantwortungsvolles Handeln gegenüber der Klimakatastrophe oder gar in eine gemeinsame globale Zukunft gehen, steht seinem persönlichen Vergnügen im Weg. Ignoranz und Verleugnung sind seine ständigen Begleiter, die ihre Kreise ziehen.
Die mediale und politische Aufarbeitung wird von dem Augenwischer beeinflusst. Prekäre Warnzeichen der Natur werden mit Plattitüden wie „Es war schon immer heiß im Sommer“ oder „Angst- und Panikmache“ heruntergespielt, normalisiert und nehmen negativen Einfluss auf das gemeinschaftliche Verantwortungsbewusstsein.
„Augenwischer – Organisiertes Verdrängen der Klimakrise“ fängt die aktuelle gesellschaftliche Situation weltweit ein und wertet sie neu aus.
Durch eine Jury ausgewählt, zeigen zwölf internationale KünstlerInnen in humorvollen, spannungsgeladenen und bewegenden Arbeiten individuelle Ansätze zum Augenwischer und der daraus resultierenden kollektiven Klimaverdrängung. Die KünstlerInnen entlarven Desinformationen und Antiklimapropaganda, sie spielen mit Verschwörungsmythen, klagen skrupellose ProfiteurInnen fossiler Stoffe an und bieten gleichzeitig Lösungsansätze.
Begleitend der Ausstellung lädt ein umfangreiches Programm zum Austausch und Diskurs ein.” (Katja Hock)
Ausserhalb des Wettbewerbs zeigen wir die Grafik des Léonard Chemineau, der die gängigen Narrative der Klimaschutzverhinderer mit Humor in sechs Sprachen zum Download darstellt.
Ein Agent des Zweifels ist z.B. die Springerpresse, deren Verlagshaus zu maßgeblichen Teilen Fossilinvestoren gehört, ebenso AFD, sogenannte „Querdenker“. “Es war schon immer heiß im Sommer”, “Ist doch gut so!”, “Ja Wetter halt”, “Angst- und Panikmache”, “Wer’s glaubt, wird selig”, “Der Glaube an den menschengemachten Klimawandel als Religionsersatz?”
Kognitionswissenschaftler haben einen PLURV genannten Baukasten entwickelt, der helfen soll, Desinformation und Propaganda in Bezug auf die Klimakrise zu erkennen: Pseudoexperten, Logikfehler, Unerfüllbare Erwartungen, Rosinenpickerei, Verschwörungsmythen sind dabei Erkennungsmerkmale.
In Deutschland führen die Parteien CDU und FDP einen lehrbuchhaften Verzögerungsdiskurs: Sie haben keine Vorschläge. Es geht in Wahrheit nicht um politische Ideologien, es geht um die Verteidigung fossiler Geschäftsmodelle.
Die Verdrängung führt zu Aggression gegen z.B. Meteorologen im TV, die Hassbotschaften erhalten. Man glaubt nur, was man glauben möchte. Forscherinnen und Forscher sprechen davon, dass dissonante Information abgewertet und konsonante Information aufgewertet wird. Dass die Menschheit gerade dabei ist, mit ihrer Lebensweise die menschlichen Lebensgrundlagen zu vernichten, erzeugt unangenehme Emotionen: Schuldgefühle, Ängste, Trauer über die verspielte Zukunft, das zwangsläufige Leiden und Sterben. Kognitive Missklänge also. Da kann eine Pseudoinformation, die nahelegt, alles wäre gar nicht so schlimm, entlasten.
Das Buch zur Ausstellung:
Männer, die die Welt verbrennen. C. Stöcker, 4. Aufl. 2024, Ullstein Verl.
Die Werke
Die Arbeit „Spin Doktor“ von Tom Albrecht versinnbildlicht die Fossilindustrie, die sowohl Politik und öffentliche Meinung als auch die regenerative Energiegewinnung bremst.
Stephan Groß befasst sich mit einer Aussage von Beatrix von Storch. „In Blame It on the sun“ schieben die reaktionären Kräfte die Verantwortung dem unbeeinflussbaren Himmelskörper zu, der sich nicht dagegen wehren kann.“, so Groß. Aus gesammelten und geschredderten Klimawandelleugner Bild- und BZ-Zeitungen presst Pia Höhfeld Blöcke zusammen und inszeniert sie als Installation „hochgestapelte Zeilen“.
Vera Leisibachs 22-minütige Videoarbeit „In Reverse“ behandelt das gesellschaftliche und individuelle Ohnmachtsgefühl gegenüber den klimatischen Veränderungen. Und mit „Pegellatte“, einem mehrteiligen Wandobjekt, macht Christine Lengtat verzerrte Wahrnehmung sichtbar: „Offensichtliches nicht anzuerkennen führt zu einer Deformation im Denken, hier widergespiegelt in einer veränderten, aus den Fugen geratenen Konstruktion.“
Vera Menolds Malerei „Survival of the sickest“ demonstriert die Tragweite der Klimakrise; Umweltverschmutzung, Zerstörung, Habsucht und letztendlich der Tod, während die fünfteilige Multimedia-Arbeit „Peanuts“ von Brigitte Nolden das mangelnde Verantwortungsgefühl und Verharmlosung der weltweiten Belastung herausarbeitet.
Riiko Sakkinen lässt in „Climate Change Denial Is Not a River in Egypt“ humorvolle Wortspielerei mit Konsumobjekt verschmelzen, um auf den Zustand der psychologischen Verleugnung hinzuweisen. Andrea Streits Videoarbeit nutzt ebenfalls Humor als Form der Auseinandersetzung: In „23.Episode from the puppet film“ inszeniert sie eine US-amerikanische Reality-Show, in der ein selbstherrlicher Egomane und amtierender Präsident, eine Puppe namens Donald Sinclair, von einem Kamerateam durch seinen Alltag begleitet wird.
„Der rote Faden“ von Violetta Vollrath besteht aus 12 Ausdrucken von fiktiven Plakaten politischer Statements. Undeutlichkeit und Auslassung konkreter Aussagen werden kritisiert und falsche Versprechungen und Forderungen von Vollrath entlarvt.
Lioba von den Driesch überträgt die Kurve einer Infografik ansteigender Temperaturen auf eine Kyrie-Partitur. Ein Gott soll durch die Klänge beschwört werden um die kosmische Harmonie wieder herzustellen, was ebenfalls in „Now it´s beautiful“ von Misha Waks anklingt. Er versucht den Prozess des Schmelzens umzukehren und eine Balance zu kreieren, doch steht der für Einzelne profitable Kohleabbau dem daraus resultierende Schmelzen der Gletscher gegenüber und betrifft die gesamte Menschheit.
„Augenwischer – Organisiertes Verdrängen der Klimakrise“ fängt die aktuelle gesellschaftliche Situation weltweit ein und wertet sie neu aus. Die KünstlerInnen entlarven Desinformationen und Antiklimapropaganda, sie spielen mit Verschwörungsmythen, klagen skrupellose ProfiteurInnen fossiler Stoffe an und bieten gleichzeitig Lösungsansätze.
Text von Katja Hock