In „Katzenwäsche. Klimaschutz mit Verdrängung“ suchen 22 Künstler*innen mit 24 Werken Antworten, den Klimaschutz und das persönliche wie gesellschaftliche Verhalten in Einklang zu bringen. Mit Objektarbeit, Installation, Video, Fotografie, Malerei und Performance greift die Schau unser widersprüchlich gesellschaftliches Verhalten bezüglich des Klimaschutzes auf. Denn bewusstes, verantwortungsvolles Handeln gegenüber diesem Planeten kann in einer Welt voller Konsum und Luxus zur Herausforderung werden. Es verlangt Konsequenz, sich gegen gesellschaftliche, eingefahrene Muster aufzubäumen, sie hinter sich zu lassen.
Ines Hock spricht in ihrer großflächigen Stadtintervention Be(e) here, im nahegelegenen Park am Engelbecken, die dramatischen Konsequenzen durch den Eingriff in die Natur an. Eine Blumenwiese aus 250 beschriebenen Täfelchen, auf denen botanische Pflanzennamen stehen, bewegt sich bei Luftzug. Doch sind die darauf aufgezählten Blumen in der Roten Liste geführt, also vom Aussterben bedroht. Hocks Arbeit demonstriert, wie sehr unser Ökosystem und damit auch unsere Lebenswelten, an dünnen Fäden hängen.
LAGE EGAL von Stephan Groß beinhaltet Frage und Aussage zugleich und wurde bereits 2006 an der Universität Bremen präsentiert. In Großbuchstaben als Palindrom verschränkt die Installation persönlichen Standpunkt mit dem zu unserer Gesellschaft. Ist uns die Lage aber wirklich so egal? Wie gehen wir mit unser aller Schicksal individuell um? Ich und das Klima von Tom Albrecht thematisiert spielerisch durch Interaktion mit den Besucher*innen die ambivalente Beziehung zu unserem Planeten. Die zwiegespaltene Stimmung zum Klimaschutz greift Thomas Behling auf. „Die Umweltschützer sind selbst dran schuld, dass wir den Planeten zerstören!“ wird uns in alt erscheinender Schrift entgegen geschmettert. Der Pigmentdruck auf Papier von 2023 ist mit einem Augenzwinkern zu verstehen und dient zur „Erbauung der von moralisierenden Umweltschützern gequälten Seele.“ Und auch Tom Albrechts Malle ist kritisch und humorvoll zugleich. Ein Schwamm, eingerahmt in einer offenen Kiste, darunter der Satz „Nach Malle nehme ich immer meinen Ökoschwamm mit!“. Der Begleiter aus Zellulose und Kokosfasern, der einen Neukauf von Schwämmen vermeiden kann, kompensiert den CO2-Ausstoß des Fluges seiner persönlichen Reiselust. Mit dem Flugscham-Messgerät behandelt John Maibohm auf ironische Art unsere eigenen Bedürfnisse, dem Klimaschutz entgegenstehen. Das fiktiv-technische Gerät bestimmt die individuelle Flugscham. Es richtet sich nach dem Sankt-Florian-Prinzip. Dieses bezeichnet Verhaltensweisen, die potenzielle Bedrohungen oder Gefahrenlagen nicht lösen, sondern auf andere verschieben. Das Loop-Video WYSIWYG von Benna Gaean Maris knüpft an die Kritik der Vielfliegerei an. Die Künstlerin lässt unseren Blick gen Himmel richten, erweckt Sehnsuchtsgedanken nach Ferne und Weite. Doch Maris zeigt auf: Der Horizont ist nicht mehr bloß Symbol von Frieden und Freiheit. Stattdessen besetzen die Aerosole der Flugzeuge den Himmelsraum. In dem Gemälde European Sleeper von Daniel Theiler, aus dem Jahr 2023, bleibt das Flugzeug am Boden. Wir sind stille Zuschauer*innen eines Moments aus 2019. Die gezeigte Figur, James Brown, Extinction Rebellion Klimaaktivist, klebte sich in besagtem Jahr an eine British Airways Maschine fest, um gegen die Umweltbelastung durch das Fliegen zu demonstrieren.
Ebenfalls große Umweltbelastungen sind Schiffsfahrten, die Alexander Rommel in seiner digitalen Malerei Geisterschiff von 2016 thematisiert. Über einer eingelassenen Form eines Schiffbugs auf offener See ohne, dass ein Schiff zu sehen ist, färbt sich eine bedrohlich schwarze Wolke, die die Fahrt begleitet. Als Kinderspielerei inszeniert, ist die Malerei in the basin von Joanna Lucas. Ein Fingerzeig auf Meeresverschmutzungen, wie beispielsweise durch ausgelaufene Öltanks: Ein hellblaues Spielzeugbötchen, ein glupschäugiger roter Goldfisch, die in einer sterilen weißen Wanne dahinplätschern. Doch unter dem Boot breitet sich eine schwarze Substanz aus, die bereits die obere Hälfte der Wanne eingenommen und den Fisch in die untere Ecke verdrängt hat. Trotz prekären Lage der Umwelt, empfinden wir wenig unmittelbares Schuldbewusstsein als Akteur*innen. Die Installation Memory from last vacation von Anna Orlikowska hält in Fotografie, fragiler Keramik und ein auf dem Smartphone abgespielten Video die rücksichtslose Erkundung der Zugspitze in den Alpen bei drastischem Rückgang des Gletschers fest.
Statt bewahren, ersetzen wir lieber, flüchten uns in virtuelle Realitäten. Swipe The Pain Away ist eine interaktive Installation von Jens Isensee und Tobias Bilgeri. Sie läuft synchron auf fünf Smartphones. Beinahe makaber werden KI-generierte Welten, hübsch-heil, ohne Probleme plötzlich von Katastrophenszenarios erschüttert und die betrachtenden Personen halten das Schicksal dieser kleinen Welten in ihren Händen. Was hätten wir tun sollen? von Anja Witt beschreibt das Aussitzen als Verdrängung: Stereotype Miniaturfiguren auf einer Styroporeisscholle schwimmen im blauen Nichts. Mal schauen sie zum Himmel, mal zur Seite. Sie kommunizieren nicht miteinander, vielmehr scheinen sie auf das große Unbekannte zu warten. Witt ist ehemalige Ozeanografin, die sich in ihrer Kunst mit dem Schmelzen des Eises und dem Anstieg des Meeresspiegels auseinandersetzt. Und trotz des Wissens um die klimatischen Veränderungen, bleibt das Handeln ungenügsam.
„Jedes Detail, spiegelt die Ironie unseres Bemühens um Nachhaltigkeit wider, während wir weiterhin die Ressourcen der Erde ausbeuten und radioaktiven Müll im Untergrund entsorgen.“ so der Künstler Danny Hermann über seine in Öl auf Leinwandarbeit Radiant Nature von 2017. Das Thema Mülltrennung visualisiert Hermann als ein lechzendes, monsterartiges Wesen. Recyclen und Mülltrennung gibt uns ein gutes Gefühl, besänftigt gleichzeitig unsere Beziehung zum Konsum. Pillow-Man von Lita Poliakova wurde speziell für „Katzenwäsche“ konzipiert und steht für die symbolischen Scheuklappen unseres persönlichen Komforts. Große, rote Clownsschuhe mit Ringelsöckchen und gelbe Hosen schauen aus einem in Kissen eingepackten Corpus hervor. Ob Fast Food, was durch das hervorblitzende Outfit Assoziationen zu dem McDonald´s Maskottchen Ronald McDonald aufleben lässt, Fast Fashion oder Einwegverpackungen. Es wird konsumiert. Auch Maria Korporal greift den Konsumgedanken in Bezug auf die Nachhaltigkeit auf. Ihre Videoarbeit Ich trinke nur Bio frische Weidenmilch von 2024 zeigt ein Kätzchen, das freudig Bio-Milch trinkt, als digitale Animation. Die Künstlerin thematisiert Greenwashing der Verpackungsindustrie, wobei Gütesiegel versprechen und Herstellungsverfahren nicht übereinstimmen. Die Künstlerin Froso Papadimitrious hinterfragt das Bild der westlichen Gesellschaft; es braucht nicht nur grüne Alternativen, sondern auch radikale Veränderungen in unserem Denken zur gegenwärtigen Konsumwirtschaft. In ihrer Installation Quicksand von 2023 arbeitet sie metaphorisch, indem die Klimakrise eine Treibsandgrube ist, in der wir bis zum Oberkörper feststecken und mit eigener Kraft nicht mehr eigenständig herausziehen können.
Dass Verschmutzung global und omnipräsent ist, zeigt Annegret Müller. „… und dann habe ich…“ – vier Worte, die aus dem alten Emaile-Ausgussbecken der Installation herausfließen und nun daliegen. Das Objekt von 2024 ist ein Sammelbecken all unserer Verschmutzung, Reste und Gifte, die aufgefangen, vermengt und weitergeleitet werden. Susanna Giese Installation Bonding bietet einen Lösungsansatz. Ihre übergroßen Figuren bestehen aus Holz, Eisenstangen, Leinen, Draht – und Abfall. Wie stillen Beobachter wachen sie über die Ausstellung. Mit ihren Gewändern, unter anderem aus Kronkorken, zeigen sie die Ambivalenz zwischen dem Wunsch nach Veränderung und dem Festhalten an gewohnten Lebensstilen. Die Künstlerin Rosa Schmidt präsentiert ihre Performance WRINGEN/FUR, mit szenischen Bildern, die Bezug auf planetare Übernutzung und Materialverschwendung nehmen und ein neuer Zugang und Einklang mit der Natur mitbringen. Und auch Maris zweite Arbeit Paperphone bietet einen frischen Ansatz, steht in direkter Korrespondenz mit Swipe The Pain Away: Die Abhängigkeit von mobilen Endgeräten hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verstärkt, wir ziehen uns in ihnen zurück. Paperphone bietet als immaterielle, partizipative Arbeit Besucher*innen an ihr eigenes Handy aus Papier zusammenzustellen – ganz ohne Technik.
Utopisch bizarr und gleichzeitig der Realität erschreckend nahe, ist die Videoarbeit von Alla Zhyvotova. Am Sonntagabend von 2021 sorgt sich Familie Ryba (zu Deutsch Fisch) um den Klimawandel und plant die Gene zu verändern, um ihren Kindern bessere Überlebenschancen zu geben. Mit speziellem Training bereitet sie sich auf ein Leben im Wasser vor und organisieren Workshops zur Förderung ihrer Idee. Und Susa Ramsthalers Performance Prima Klima von 2017 ruft zur körpereigenen Energiespeicherung auf. Seit 2009 setzt sich Ramsthaler performativ mittels Bewegung, Text und Stimme mit dem Klimawandel und seinem Umgang auseinander.
„Katzenwäsche. Klimaschutz mit Verdrängung“ rüttelt und zerrt an unseren bequemen Komfortzonen, hält uns den Spiegel vor und setzt Impulse für einen verantwortungsvollen Umgang mit unserer Welt.
Text von Katja Hock