Eine Zusammenfassung der Workshops, Vorträge, Gespräche bei GG3 und Erfahrungen von Tom Albrecht
Wir übernehmen als Künstler*in Verantwortung für den eigenen Ressourcenverbrauch, fangen an, über den eigenen Ressourcenverbrauch der Kunst zu sprechen. Motto: No art for a dead Planet. But art for a sustainable Planet.
Wie das geht, ist noch Experiment. Die Künstler*innen sind aufgefordert, das heraus zu finden. Wir können unser innovatives Potential nutzen. Wir kennen oft noch nicht die eine Lösung. Aber wir suchen, erarbeiten Wege in unseren Workshops1, tragen unsere Erfahrungen zusammen, sind im Prozess, machen Kompromisse, tasten uns vor. Dieser Text ist als Anregung gedacht. Wir rufen Künstler*innen auf uns ihre Erfahrungen mitzuteilen, um sie hier einzupflegen.
Nachhaltiges Werk
Ein nachhaltiges (NH) Werk ist ein starkes Werk für den/die Künstler*in. Er/sie arbeitet im Flow, ist zufrieden, bezieht eine inhaltlich Position zur Welt, bearbeitet existenzielle Themen, greift Themen der NH auf, macht Verborgenes sichtbar, schaut sich das Werk gerne an. Das Werk schafft Resonanz mit dem Gegenüber, ist nicht didaktisch, erhebt nicht den Zeigefinger, ist nicht moralisch, ist ästhetisch schön, hat Humor, Ironie, Leichtigkeit.
Für den/die Gegenüber: Das Werk wirkt nicht moralisch, verurteilend, es ist geheimnisvoll, erlaubt Resonanz, springt an, berührt, wirkt anhaltend, Idee und Umsetzung stimmen, eröffnet neue Perspektive, bewirkt Umdeutung.
Produktionszwang
kann nachhaltiges Arbeiten behindern. Daraus entkommen im Studium, durch Förderung, mit Stipendien, in Residencies z.B. in der Akademie für Suffizienz. Muss verkaufen immer das Ziel sein? Als Künstler*in NH-Sein wo es geht, wo Gewissen und Finanzen es zulassen.
In Freie Szene-Ausstellungen Eintrittsgeld nehmen für die Künstler, kann vom Verkaufszwang lösen. Schwierig in Berlin. Spende funktioniert. NH-Kunst finanzieren durch Party, Crowdfunding, neue Formate wie Musik und Bildende Kunst.
Kunstmarkt
Kritik an dem nicht nachhaltigen Kunstmarkt äußern und selbst möglichst nachhaltig produzieren. Die Kunstwelt achtet nicht auf ihren Ressourcenverbrauch und spricht nicht darüber. Aber wir! Und wir kritisieren das. Das Thema wird wichtiger werden.
Die Freiheit der Kunst entlässt die Beteiligten nicht aus ihrer Eigenverantwortung für mehr Nachhaltigkeit zu arbeiten.
Zertifikate
Material mit Zertifikaten verwenden. Zertifikate sind der „Blaue Engel“, das „pfc-Zeichen“ (Nicht „Mix“) für Papier. Diese sind glaubwürdiger als der unbestimmte Begriff „Recyclingpapier“.
Wie sähe ein Zertifikat „Nachhaltige Kunst“ aus? Es sollte transparent sein. Wer vergibt es, was sind die Kriterien?
Material
Allgemein
Welches Material geeignet ist, hängt auch vom Zweck, z.B. dem Ausstellungsort innen oder aussen ab.
Wenn nötig, Altmaterial mit neuem kombinieren. Für manches gibt es schon bewährte Antworten, siehe unten. Diese Werke verbrauchen weniger Ressourcen, verwenden nachwachsende Rohstoffe und Altmaterialien, halten den Ökologischen Fußabdruck klein.
Als Künstler*in den Ressourcenverbrauch bedenken, sich fragen ob es mit weniger Material geht oder natürlichem. Wie verändert sich mein Werk mit NH-Material?
Materialeinsatz verringern
Vorhandene Materialien verwenden wie in der Arte Povera, aus Wertstofftonne, vom Friedhof.
Die Saison nutzen, z.B. gibt es nach Weihnachten Nadeln, Tannenbäume reichlich auf der Straße. Sich fragen, ob die Idee sofort verwirklicht werden muss. Tempo kostet oft Ressourcen.
In Berlin Material von Kunststoffe e.V. beziehen. Den Ort im Haus der Materialität besuchen und sich inspirieren lassen.
Die „Schräubchensammlung“ pflegen, Fundus mit System haben. Was sammelt man,was gibt man ab an Kolleg*innen, was wirft man weg? Nur sammeln, wenn es auch gelagert oder geteilt werden kann.
Erst den eigenen Fundus befragen, dann Materialmafia / Kunststoff e.V. besuchen, dann zum Handel gehen
Einzelne Schrauben können im Baumarkt preisgünstiger sein, als Großpackungen.
Werke so gestalten, dass Materialien wiederverwendbar sind. Werke so aufbewahren, dass sie verkauft werden können oder wieder ausgestellt oder wieder verwertet.
Es fehlt ein Materialfundus mit technischen Geräten für bildende Künstler, z.B. Scheinwerfer, Nebelgeräte. Materialnetzwerke mit Kolleg*innen aufbauen und nutzen, für kleine Dinge in der Nähe, für Großes durch Vermittler, Lager. Nichts wegwerfen ist eine ökologische Qualität, ggf. dem Fundus anbieten. Leihen und Verleihen funktioniert bis zur individuellen Grenze bei Geräten. Hängt ab von Vertrauen und räumlicher Nähe.
Material, das altert, gut lagern, pflegen. Alte Kleidung z.B. als Lappen verwenden. Papierservietten bei Essen mitnehmen. Mut haben zum Essen retten, sich Gefäße mitbringen dafür.
Kompromisse machen
Wenn wir bestimmte Techniken nutzen wollen, müssen wir für manche Projekte Kompromisse machen. Z.B. ist der Druckwerkstoff PLA für 3D-Drucke noch nicht einfach recycelbar. Auch brauchen wir für den Drucker elektrische Maschinen. Hier lohnt es sich aber die Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit zu beobachten und daran teilzunehmen, wenn es Lösungen gibt.
Wir können als Engagierte nur aushalten, wenn wir bei unserer Arbeit den Ressourcenverbrauch nicht verringern können. Manche Werkzeuge, Materialien lassen sich nicht vermeiden. Wir wägen ab zwischen unserem Konzept, den Kosten, dem Nutzen und unserer Geduld.
Wo sind meine Prioritäten bei Produktion, Umsatz und Nachhaltigkeit?
Neue Werke
Arbeiten wir von der Idee her oder vom Material? Wenn das vorhandene Material verwendet wird ist das nachhaltiger, als neues zu kaufen.
Vergängliche Kunst
kann nachhaltiger sein. Aus lebenden Naturmaterialien wird sie dauerhaft durch das Dokumentieren und Zertifikate.
Malen
Farbe
Farbmenge nach geplantem Verbrauch ansetzen
Ölfarbe: Pinsel waschen ohne Lösemittel, sondern erst mit Sonnenblumenöl, dann mit Gallseife. Ist auch Gesundheitsschutz.
Pigmente mit Schwermetallen wie Blei, Cadmium vermeiden. Verkäufer*innen nach Alternativen fragen.
Alternativen zu organischen flüchtigen Lösemitteln sind Eitempera, Gouache
Echthaarpinsel
Die Haargewinnung ist Tierquälerei oder profitiert vom nicht nachhaltigen Fleischkonsum.
Leinwand
Baumwolle verbraucht viel Wasser. Nessel und Leinen können eine Alternative sein.2
Arbeitsschutz
Malen von Öl-und Acrylfarben mit Handschuhen aus Latex, darunter Baumwollhandschuhe anziehen. Für Aquarell ist kein Schutz nötig.
Abfall
Vermeiden: Weniger Abfall erzeugen. Dinge aufbrauchen, gut lagern
Entsorgen: Abfall ohne Schwermetall (SM) und Lösemittel (LM) in den Restmüll geben, mit SM und LM in den Sonderabfall bei der Stadtreinigung geben. Lösemittel austrocknen lassen in Restmüll. Leere Verpackung in Gelbe Tonne.
Abwasser
Farbreste mit Acryl, Microlastik und organischen Lösungsmitteln wie Terpentin gehören nicht ins Abwasser.
Mit Belüftung eintrocknen lassen, dann in Restmüll geben.
Noch flüssig: Sonderabfall
Pinsel mit Pinselreiniger reinigen unter Wasser ist aber ok. Pinsel z.B. im alten Tuch vor reinigen, um Abwasser weniger zu belasten.
Von Ausbildungsorten und Werkstätten schriftliche Regeln verlangen, was ins Abwasser darf, was nicht und wo die entsprechenden Abfall- oder auch Sonderabfallbehälter sind.
Stein
Skulpturen z.B. aus aufgegebenen Grabsteinen recyceln, statt neuen Marmor verwenden. Steinreste verwenden.
Verpackung
Wieder verwenden, nachwachsende Rohstoffe, Altmaterialien verwenden
Events
Kein Einweggeschirr, möglichst Bio-Getränke und Speisen, Vegetarisch-Vegan, Regional
Reisen
Sich Begegnen ist wichtig, Kontakte aufbauen und pflegen, doch das Reisen verbraucht Ressourcen. Wann ist das physischen Begegnen wichtig, wann reicht die online-Konferenz oder der Chat?
Netzwerk bilden und nutzen
https://kunst-stoffe-berlin.de/, „Kunst-Stoffe fördert die kreative Auseinandersetzung mit Wieder- und Weiterverwendungsstrategien. Rest- und Gebrauchtmaterialien werden in unseren Sammelstellen als nachhaltige Ressourcen erschlossen und an Kunstschaffende, SelbermacherInnen und gemeinnützige Einrichtungen preiswert abgegeben.“
https://galleryclimatecoalition.org/
Für Gallery Members, Artist Members, Individual Members, Organisation Members
Ziel des GCC ist es, die Dekarbonisierung des Sektors der bildenden Kunst zu erleichtern und abfallfreie Praktiken zu fördern. Sie bieten z.B. einen online-Carbon-Rechner an, um den Carbon-Footprint für die Institution zu ermitteln. Im Angebot ist auch eine Börse z.B. für das Weiterverwenden von Transportverpackung von Werken.
Artists in Nature International
Bilder aufziehen
MDF statt Kapa (Kunststoff aus fossilem Rohstoff) verwenden.
Wann läßt sich Aludibond (Aluminium ist energieaufwendig und vom Recycling problematisch) ersetzen durch MDF oder Karton? Pressspan? Foto oder Poster auf MDF oder Leinwand aufziehen.
Mat. wiederverwenden und umseitig bedrucken. Wer hat Erfahrungen?
Energie sparen
Internet
Vielleicht tun es noch ein Stadtplan auf Papier statt Maps, offline-Karten auf dem Smartphone, Bücher statt Internet, Ecosia als Suchmaschine
Die eigene Website bei Provider mit echtem Grünstrom ordern. Bilddateien reduzieren vor dem Hochladen.
Offline arbeiten, wenn Web nicht nötg.
Datenschutz: Cloud in EU verwenden. Geräte und Software unabhängig von USA-Firmen verwenden. Alternativen zu Adobe: Bild mit GIMP, Affinity, Apple: 3D-Blender
Videos
Sich als Medienkünstler*in über die ökologische Seite der Arbeit bewusst sein.
Videoportale unterhalten große Serverfarmen, die Strom und Kühlung verbrauchen. Daher Auflösung und Bitrate nur soviel wie nötig einstellen, Vimeo-Standard reicht für die online-Darstellung. 4K – Auflösung nur offline verwenden, HD-Qualität 1920 x 1080 px oder weniger bis 1280 x 720 px, Kompressionsrate 8 – 10 Mbit/sec., Framerate 25 (EU) – 30 (US) Bilder/sec.
Audio siehe Podcasts
Podcasts
Lautstärke normalisieren, variable Kompressionsrate z.B. 9,45 – 48 kBit/sec., so klein wie möglich, Mono möglichst, Abtastrate von 44kHz auf 22 kHz stellen.
Fotos online stellen
Desktop: Website 1024 bis 1200 pix für die längste Seite, Qualität 60 bis 80%, jepeg-Format, verhindert den Diebstahl für Print; für Logo, Grafik, Icon PNG verwenden
Instagram, Facebook
Bilder komprimieren, Smartphone: App. zum Komprimieren verwenden, Einstellungen wie bei Desktop
Onlinearchiv
Onlinearchiv mit Website: Lösen sie Printkataloge ab? Sind sie Ressourcen schonender?
Cloudarchiv datensparsam betreiben, Rohvideo offline aufbewahren
Eigene Website
Nicht benötigte Plugins löschen: Link setzen zu externen Websites statt Einbetten spart Energie.
Office
alte Mails löschen, z.B. ab einer gewissen Anzahl das automatische Löschen einstellen.
Strom und Heizung
Stoß- statt Dauerlüften des Ateliers in der Heizperiode. Licht ausschalten beim Verlassen des Raumes. LED-Leuchtmittel sparen am Meisten. Oft lassen sich in vorhandenen Lampen Glühbirnen, Leuchtstofflampen durch LED ersetzen.
Bei Tageslicht arbeiten kann Teil des Konzeptes sein.
NTFs
Der Verkauf eines Krypto-Kunstwerks verbraucht so viel Energie, wie das Atelier in zwei Jahren verbraucht. Jetzt setzt sich die Künstlerin Joanie Lemercier dafür ein, die Kohlenstoffemissionen dieses Mediums zu reduzieren.
Text (C) Tom Albrecht auf Grundlage: Workshops und Vortrag in GG3-Ausstellungen: 18.4.2013 „Kaufen oder Nichtkaufen“, 2.11.2019 „Artists for Future“, 7.20.2020 „Fossile Sucht“, 17.9.2021 „Kommentar zur Gegenwart“, 26.11.2021 „Endless Summer“
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